Die Teillegalisierung von Cannabis in mehreren EU-Staaten hat die einst im Verborgenen praktizierte Substanz in die Mitte der Gesellschaft gerückt. Mit der neuen Freiheit wächst jedoch auch die Verantwortung: Der Drogenbericht 2025 schätzt, dass etwa 1,5 % der europäischen Erwachsenen (rund 4,3 Millionen Menschen) fast täglich kiffen. Diese Gruppe ist am stärksten von gesundheitlichen Problemen betroffen: Cannabiskonsum kann chronische Atemwegsbeschwerden, Abhängigkeitsentwicklungen und psychotische Symptome verursachen – und die Risiken steigen mit der Stärke des Produkts und einem frühen Konsumbeginn.
Legalisierung und Normalisierung
Mit Gesetzen wie dem deutschen Cannabisgesetz dürfen Erwachsene seit 2024 kleine Mengen besitzen und Anbauvereine gründen. Malta, Luxemburg und Deutschland erlauben unter Auflagen den Eigenanbau, während die Niederlande einen staatlich kontrollierten Lieferkettenversuch starten. Dadurch ist Cannabis gesellschaftlich angekommen: 2023 konsumierten laut einer Erhebung etwa 4,6 % der Deutschen ab 14 Jahren Cannabis – das entspricht rund 3,8 Millionen Menschen. Dennoch mahnen Fachleute zur Vorsicht: selbst gelegentlicher Konsum ist nicht risikofrei; intensiver Dauerkonsum im Jugendalter ist besonders problematisch.
Junge Gehirne in Gefahr
Der größte Risikofaktor ist das Alter: Bis zum 25. Lebensjahr entwickelt sich das Gehirn weiter. Der Konsum in dieser Phase kann die Reifung zentraler Hirnareale beeinträchtigen und langfristige Einbußen bei Gedächtnis und Aufmerksamkeit verursachen. Eine neuseeländische Langzeitstudie zeigte, dass regelmässige Konsumentinnen und Konsumenten zwischen dem 13. und 38. Lebensjahr bis zu acht IQ‑Punkte verloren – und dass sich der Verlust nur bei denjenigen normalisierte, die als Erwachsene mit dem Kiffen aufhörten. Akut kann ein Joint die Lunge so stark belasten wie mehrere Zigaretten. Nicht zuletzt ist Cannabis eine Sucht: 2017 wurden in Deutschland mehr als 8.000 Minderjährige wegen Cannabisabhängigkeit behandelt.
Potente Produkte und synthetische Cannabinoide
Die Produktpalette hat sich ausgeweitet. Auf dem illegalen Markt werden hochpotente Extrakte und essbare Produkte verkauft, die in europäischen Notaufnahmen für akute Vergiftungen sorgen. Noch riskanter sind neue semi‑synthetische Cannabinoide wie Hexahydrocannabinol (HHC), HHC‑P oder THCP. Sie werden aus CBD gewonnen und waren lange schlecht reguliert. Der Drogenbericht verzeichnete über 170 Anfragen zu HHC beim tschechischen Giftinformationszentrum, viele davon betrafen Jugendliche, die mit mit synthetischen Cannabinoiden versetzte Gummibärchen konsumiert hatten. In Ungarn kam es 2024 zu einem lokalen Ausbruch von 30 Vergiftungen durch solche Süssigkeiten. Inzwischen ist HHC in mindestens 22 EU‑Ländern verboten, und die UN hat den Stoff 2025 den Regeln für THC gleichgestellt.
Therapie und Prävention
Aktuell gibt es kein zugelassenes Medikament gegen Cannabisabhängigkeit. Die gängige Behandlung besteht aus psychosozialen Methoden wie kognitiver Verhaltenstherapie oder Motivationsinterviews. Digitale Programme und e‑Health‑Angebote können niedrigschwellig helfen, ihr Nutzen bleibt aber umstritten. Um Risiken zu reduzieren, empfehlen die Lower‑Risk Cannabis Use Guidelines, den Konsumbeginn auf die Zeit nach der Pubertät zu verschieben, nur selten zu konsumieren, auf hochpotente THC‑Produkte zu verzichten und nicht zu rauchen. Besonders gefährdet sind Jugendliche, Schwangere, ältere Menschen und Personen mit psychischen Vorerkrankungen.
Erfahrungen aus dem Ausland
Vergleichsdaten aus anderen Ländern bieten einen vorsichtigen Ausblick. Eine Analyse von über 1,4 Millionen US‑Schülerinnen und -Schülern ergab, dass die Wahrscheinlichkeit für regelmäßigen Cannabiskonsum nach der Legalisierung in den Bundesstaaten um neun Prozent sank. In Portugal, wo der Besitz kleiner Mengen aller Drogen seit 2001 entkriminalisiert ist, blieb der Anteil jugendlicher Cannabiskonsumenten unter dem europäischen Durchschnitt und die Polizei konnte sich auf große Drogendelikte konzentrieren. Diese Beispiele zeigen, dass Regulierung nicht zwangsläufig zu mehr Konsum führt – sie unterstreichen jedoch die Bedeutung von Prävention, Jugendschutz und einer starken öffentlichen Gesundheitsstrategie.
Die Legalisierung von Cannabis eröffnet Chancen und Gefahren zugleich. Forschungsergebnisse legen nahe, dass ein bewusster, maßvoller Umgang und klare gesetzliche Rahmenbedingungen notwendig sind, um die Risiken zu minimieren. Trotz gesellschaftlicher Normalisierung bleibt Cannabis kein harmloses Genussmittel – insbesondere junge Menschen, die zu früh und zu oft konsumieren, setzen ihre geistige und körperliche Gesundheit aufs Spiel.



